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Husums Liedermacher: 40 Jahre Dragseth

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Redakteur
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(CIS-intern) – „Ich glaube, mit unseren 40 Jahren dürften wir zu den ältesten Folkbands im Land gehören“, stellt Kalle Johannsen, Gründungsmitglied von Dragseth, das in seiner Heimat Nordfriesland längst zur Institution geworden sind. Alles begann im Jahr 1982 – zu einer Zeit, da Kneipen noch beinahe rituelle Orte waren, an denen täglich neue Ideen ausgebrütet wurden. Kalle Johannsen und Manuel Knortz wollen damals vor allem eines: Musik machen, der eine liebte deutsche und plattdeutsche Lieder, der andere irische und schottische Folkmusik. Bei einem Guinness in Dragseth’s Gasthof, der ihnen später auch den Namen gab, kam dann – Achtung Klischee – zusammen, was zusammengehört.

Heimattümelei über das Leben vör un achtern Diek, romantisch bis dümmlich verklärt war in jenen Tagen gerade radio- und fernsehtauglich geworden. „Aber das genau wollten wir nicht“, blickt Johannsen zurück, „sondern vielmehr zeitgenössische Lieder schreiben, die das reale Leben der Menschen abbilden.“

Knortz hat es einmal so beschrieben: “Folk ist wahrhaftig, sonst ist es Schlager.” Aber vor allem: “Man muss einen Song so verinnerlichen, als hätte man ihn selbst geschrieben.”
Da erscheint es geradezu folgerichtig, dass sich Kalle für seine ganz persönliche Hommage an Nordfriesland im belgischen Flandern bedient und Jacques Brels “Le plat pays” in “Mien platte Land” “umfri(e)siert“.

Aber ganz gleich, welcher Vorbilder sie sich bedienen: Heraus kommt immer ein Stück “Dragseth”.
Nachdem sie erste Texte von Klaus Groth vertont sowie britische und anglo-amerikanische Songs ins Plattdüütsche übertragen haben, werden die beiden 1984 zum „Jugendhof Scheersberg“ eingeladen und dort mit ihrem neuen Sound als Bereicherung der Szene wahrgenommen. Songs auf Western-Gitarren intoniert und mit zwei Stimmen gesungen, die bestens harmonieren: „Wir hatten unseren eigenen Stil und unsere eigene Musik gefunden“, sagen sie heute.

Eine erste Schallplatte wird eingespielt – im Studio von Hans Hartz, der damals gerade mit „Die weißen Tauben sind müde“ in den siebten Schlagerhimmel abhebt.
Dann hat Knortz einen Geistesblitz. „Lass uns mal Storms Gedichte lesen“, schlägt er vor. Innerhalb weniger Monate entstehen etliche Vertonungen, von denen es zwölf rechtzeitig zu Storms 100. Todestag 1988 auf das Album „Es ist ein Flüstern“ schaffen. Die Kritik ist begeistert, Dragseth zusehends gefragt. „Plötzlich gastieren wir mit Branchen-Größen Sally Oldfield oder Angelo Branduardi.“

1991 kommt dann „Lichtjahre“ heraus, 14 neue Songs, halb hochdeutsch, halb plattdeutsch – aufwändig arrangiert. Die Fans reagieren abermals euphorisch, die Fachpresse dagegen zwiespältig: „Was denn nun: hochdeutsch oder plattdeutsch?“, will sie wissen. Erst muss sich Dragseth also gegen Rock und Pop behaupten, jetzt gegen einen nur scheinbaren Widerspruch, denn Mehrsprachigkeit ist für Nordfriesen schon damals eine Selbstverständlichkeit.

Ausgerechnet das, was Manuel Knortz und Kalle Johannsen in tiefstem Herzen vereint, führt 1993 zur Trennung. Der Erfolg fordert seinen Tribut, aber noch schlimmer war: Sie haben die Lust verloren.
Nach zehn Jahren Funkstille dann die Wiedererweckung: Mit den Musiker-Freunden von „Drones & Bellows, spielen sie das Album „Hiimstoun“ ein, eine vielsprachige Hommage an die kulturelle Verbundenheit zwischen Sonderjyland und Nordfriesland. Ein Jahr später folgt „The Promised Shore“. 2008 erhalten sie für ihr Schaffen die höchste Auszeichnung, die der Kreis Nordfriesland zu vergeben hat: den Hans-Momsen-Preis. In der Begründung heißt es: „Dragseth hat es verstanden, Heimatverbundenheit und Weltbürgerlichkeit in Einklang zu bringen und Brücken zwischen Regionen und Kontinenten zu schlagen.“

Mit der „Backporch Stringband“ spielen sie 2009 „Songs from the Porch“ ein. „Das war pure Leidenschaft“, erinnert sich Kalle Johannsen. Damals stoßen auch Gerd Beliaeff (Kontrabass, Posaune) und Jens Jesse (Gitarre, Slide-Gitarre, Banjo, Ukelele, Gesang) zur Band, und Manuel Knortz entwickelt sich endgültig zum Multiinstumentalisten.
Beliaeff steigt 2014 wieder aus. Doch zuvor nehmen die Vier ein plattdeutsches Album mit dem richtungsweisenden Titel „Stää un Stünn“ auf: Ort und Stunde. Die Magie des Augenblicks erleben und zelebrieren – das ist die Botschaft. Und für all das gibt es ein Wort: Melancholie, diese wunderbare Melange aus Traurig- und Heiterkeit.

Einmal wöchentlich treffen sich Knortz, Johannsen und Jesse in Knortz’ Atelier zum Musizieren. Doch zuerst wird gemeinsam gekocht und – wie in den ersten Jahren – Wein getrunken.
Und das ist sie dann wohl auch – diese besondere Dragseth-Dialektik: Das gelobte Land liegt vor der Haustür – und das Haus steht in der Welt. So einfach ist das – bis heute.

Foto: Karsten Lundt

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