Der Schimmelreiter – Dichtung und Wahrheit

Der Schimmelreiter – Dichtung und Wirklichkeit
Zeitschrift Nordfriesland
Weitere Themen sind eine Bilanz der bisherigen Wirkungen des Europäischen Rahmenabkommens zum Schutz nationaler Minderheiten und der Europäischen Sprachen-Charta für Nordfriesland sowie Probleme der Rentenversicherung für Amerika-Auswanderer, die auch in Deutschland gearbeitet haben. Aktuelle Berichte und Buchhinweise runden Nordfriesland 141 ab. Das 32-seitige Heft kostet drei Euro und ist erhältlich über den Buchhandel oder direkt beim Nordfriisk Instituut.

Der Schimmelreiter – Dichtung und Wirklichkeit
Theodor Storms Altersnovelle „Der Schimmelreiter“ ist als „nordfriesisches Nationalepos“ bezeichnet worden. Was hat die Geschichte von Hauke Haien, seinem Deich und seinem Untergang mit dem wirklichen Nordfriesland zu tun? Antworten auf diese Fragen bietet der Bredstedter Schriftsteller Reimer Kay Holander in seinem Buch „Der Schimmelreiter – Dichtung und Wirklichkeit“. Nun ist diese oft zitierte, seit Jahren vergriffene Pionierarbeit zur regionalen Storm-Forschung wieder verfügbar. Im Verlag des Bredstedter Nordfriisk Instituut erschien eine neue, verbesserte und aktualisierte Ausgabe.

Nordfriesische Heimatkundler haben viel Mühe darauf verwandt, die Handlungsorte der Novelle mit bestimmten Örtlichkeiten in Nordfriesland zu identifizieren. Leben und Wirken Hauke Haiens weist beispielsweise biografische Elemente und Charakterzüge bestimmter Personen der Marschengeschichte auf. Die einfache Herkunft und der autodidaktische Bildungsgang des im Alter hoch angesehenen Landmannes und Mechanikers Hans Momsen aus Fahretoft floss in die Geschichte ein. Die in der Novelle für Zwist sorgenden modernen, aufwändigen Deichprofile gehen auf die Unternehmungen des erfolgreichen Deichbaufinanziers Jean Henri Desmercieres zurück. Der Deichgrafenhof von Johann Iwersen-Schmidt aus der Hattstedtermarsch bietet in einzelnen Zügen ein Vorbild für das Anwesen von Haukes Schwiegerfamilie. Holander arbeitet heraus, auf welchem Wege der Dichter Storm, der auch intensive deichbautechnische Studien anstellte, aus „wirklichen“ Bausteinen ein Mosaik geschaffen hat, das seiner künstlerischen Absicht entsprach.

Reimer Kay Holander referiert zudem die unterschiedlichen Sagenüberlieferungen, die in die Novelle Eingang fanden. Besonderes Gewicht legt der frühere langjährige Lektor und Geschäftsführer des Nordfriisk Instituut auf das Verhältnis von Dichtung und Ideologie. Insbesondere im „völkischen“ Denken des Nationalsozialismus wurde Hauke Haien „aufgenordet“ zur „arischen Führergestalt“. Die meisten Menschen in Nordfriesland erfuhren vom „Schimmelreiter“ wahrscheinlich erstmals, so Holander, durch die Aufführung des Spielfilms von 1934, in dem Mathias Wieman unter der Regie von Hans Deppe die Figur in diesem Sinne darstellte. Abgeschlossen wird das Buch mit der Dokumentation von acht Texten des 17., 18. und 19. Jahrhunderts, an denen die wechselvolle Geschichte von Deichbau und Landgewinnung ablesbar wird.

(Text: Fiete Pingel – 2001)